Kunst im Karner - 27.März - 11.April 2009 - 
Sabine Krist & Brigitte Petry <> PASSION - vom Leiden und Sterben

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Christoph Weist

 

"Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen…?"

Das Verständnis des Leiden Jesu in den Evangelien

Dr. Christoph Weist © Kunst im Karner - St. Othmar
 

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Dr. Christoph Weist © Kunst im Karner - St. Othmar

Kurzbiografie 
Dr. Christoph Weist:

Geboren 22. 11. 1944 in Bad Salzbrunn, Schlesien, aufgewachsen in Stuttgart, Studium der evangelischen Theologie in Tübingen, Hamburg und Wien. Promotion im Fach Neues Testament bei Gottfried Fitzer in Wien über die Geschichte der Exegese des Menschensohn-Begriffs.
Vikar in Korneuburg/Donau, Gemeindepfarrer in Wien-Favoriten und in Stoob im Burgenland, seit 1986 Leiter des Amtes für Hörfunk und Fernsehen der Evangelischen Kirche in Österreich, seit 1998 auch Chefredakteur der Evangelischen Kirchenzeitung SAAT. Redaktionelle Mitarbeit in zahlreichen evangelisch-kirchlichen Publikationen, insbes. beim Evangelischen Pressedienst für Österreich (epdÖ). Mitglied der Rudolf-
Bultmann-Gesellschaft für hermeneutische Theologie.

 

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"Altarbild" (Kreuz) Holzschnitt auf Leinen; auf Keilrahmen aufgespannt © Sabine Krist

"Altarbild" (Kreuz) Holzschnitt auf Leinen; auf Keilrahmen aufgespannt 255x300cm von Sabine Krist  © Kunst im Karner - St. Othmar

Nagelbild 2 © Brigitte Petry

Nagelbild © Brigitte Petry

Nagelbilder von Brigitte Petry © Kunst im Karner - St. Othmar

Nagelbilder von Brigitte Petry © Kunst im Karner - St. Othmar

 

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"Altarbild" (Kreuz) Holzschnitt auf Leinen; auf Keilrahmen aufgespannt © Sabine Krist

"Altarbild" (Kreuz) Holzschnitt auf Leinen; auf Keilrahmen aufgespannt 255x300cm von Sabine Krist  © Kunst im Karner - St. Othmar

Nagelbild 2 © Brigitte Petry

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Nagelbilder von Brigitte Petry © Kunst im Karner - St. Othmar

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"Altarbild" (Kreuz) Holzschnitt auf Leinen; auf Keilrahmen aufgespannt © Sabine Krist

"Altarbild" (Kreuz) Holzschnitt auf Leinen; auf Keilrahmen aufgespannt 255x300cm von Sabine Krist  © Kunst im Karner - St. Othmar

Nagelbild 2 © Brigitte Petry

Nagelbild © Brigitte Petry

Nagelbilder von Brigitte Petry © Kunst im Karner - St. Othmar

Nagelbilder von Brigitte Petry © Kunst im Karner - St. Othmar

 

"Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen, dass man ein solch scharf Urteil hat gesprochen?" So fragt ein Lied aus dem 17. Jahrhundert, das noch heute in evangelischen Kirchen in Gottesdiensten während der Passionszeit gesungen wird und auch im "Gotteslob" zu finden ist. Das Lied nennt kurz die bekannten, im Neuen Testament überlieferten Leiden Jesu - Geißelung, Dornenkrönung, Schläge, Verhöhnung, Kreuz -, um dann die Antwort zu geben: "Ach, meine Sünden haben dich geschlagen; ich, mein Herr Jesu, habe dies verschuldet, was du erduldet."

Das ist eine starke Behauptung. In vielen anderen Passionsliedern, Meditationen und Predigten im evangelischen wie im römisch-katholischen Bereich wird sie ebenfalls aufgestellt oder vorausgesetzt.

Mit Ihnen zusammen, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich mich nun auf den Weg machen, die Gründe für diese Auskunft und ihre historische wie theologische Stichhaltigkeit zu überprüfen. Die Aspekte sind dabei so vielfältig, dass ich im Rahmen dieses Vortrags nur die wichtigsten herausgreifen kann. Kronzeugen, aus vielen Gründen die einzigen, sind dabei jene vier Bücher des Neuen Testaments, die wir als das Evangelium des Markus, das Evangelium des Matthäus, das Evangelium des Lukas und das des Johannes bezeichnen. Was berichten sie über den Tod des Mannes aus Nazareth, warum berichten sie es und woher stammt ihr Material?

Keine außerchristlichen Quellen

Die Evangelien als die einzigen Zeugen? Immerhin sind diese Schriften mehrere Jahrzehnte nach den Ereignissen verfasst worden. Gibt es keine "besseren" Quellen? Die Antwort lautet nein. Paulus, der etwas mehr als 20 Jahre nach Jesu Tod seine Briefe schrieb, ist zwar als erster wirklicher Theologe ein großer Deuter von Jesu Tod und Auferstehung, am Leben Jesu selbst und seinen realgeschichtlichen Umständen, darunter denen seines Todes, zeigt er keinerlei Interesse. Und außerchristliche Zeugnisse, die wir als besonders "objektiv" einzustufen geneigt wären, sind späteren Datums und lassen ebenso aus.

So spricht der jüdische Historiker Josephus in einer sonst christenfreundlichen, aber (vielleicht gerade deshalb) in ihrer Echtheit höchst umstrittenen Notiz in seiner um das Jahr 93 erschienen Weltgeschichte des jüdischen Volkes (Antiquitates Iudaicae) lediglich davon, Pilatus habe Jesus "auf Betreiben der Vornehmsten unseres Volkes zum Kreuzestod" verurteilt. Und der römische Geschichtsschreiber Tacitus bemerkt in seinen 116/117 verfassten "Annalen" nur, dass Christus "unter Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war". Der Römer versteht "Christus" offensichtlich nicht als Messiasbezeichnung, sondern als Eigenname, interessanter ist hier allerdings bereits die unterschiedliche Schuldzuschreibung. Dass ein gewisser Thallus, ein römischer oder samaritanischer Historiker in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts, bei der Deutung einer "Sonnenfinsternis" ebenfalls die Kreuzigung Jesu erwähnt haben soll, ist eine Vermutung und ebenfalls für uns ohne Belang.

Die Evangelien sind also die einzigen Quellen, mit deren Hilfe wir das Leiden und Sterben Jesu nicht nur verfolgen, sondern auch verstehen können. Es sind keineswegs schlechte Quellen. Wichtig ist allerdings die zeitliche Folge ihrer Entstehung: Das Markusevangelium entstand ca. 70, d.h. etwa 40 Jahre nach Jesu Tod, wenn man diesen mit der Mehrzahl der Forscher am Passahfest des Jahres 30 ansetzt. Das Matthäusevangelium wurde in den Jahren 80 bis 90 verfasst, also 50 bis 60 Jahre nach der Kreuzigung. Das Lukasevangelium entstand etwa um die gleiche Zeit oder etwas später (hier gibt es in der Forschung viele Vermutungen). Das Evangelium des Johannes schließlich entstand etwa um die erste Jahrhundertwende, aber auch das ist nicht unumstritten. Sie alle widmen den Berichten vom Leiden und Sterben Jesu in ihren Büchern einen beträchtlichen Raum

Der geheimnisvolle Passionsbericht

Ich möchte es Ihnen ersparen, auf die komplizierte vielschichtige Problematik des Verhältnisses dieser vier Dokumente untereinander einzugehen, wie ich überhaupt um der Übersichtlichkeit willen auf wissenschaftliche Erörterungen und die Nennung von Belegen verzichte. Wichtig ist für uns zunächst eine Beobachtung:

Im Markusevanglium, dem ältesten Evangelium, das Matthäus und Lukas später benutzt haben, nimmt der Bericht vom Leiden und Sterben Jesu einen besonders großen Raum ein. Man hat das Evangelium daher schon eine "Passionsgeschichte mit ausführlicher biographischer Einleitung" genannt. Das hat, neben vielen anderen Einzelbeobachtungen am Text, zu folgendem Schluss geführt:

Der Evangelist Markus muss einen umfangreichen zusammenhängenden Passionsbericht gekannt und in seine Schrift übernommen haben. Dieses "Traditionsstück" umfasste die Erzählungen vom Einzug Jesu in Jerusalem (Mk 11,1-10) bis zur Auffindung des leeren Grabes (Mk 16,1-8) (Köster 603). Einige Forscher lassen es sogar schon vorher, nämlich beim Messiasbekenntnis des Petrus in Mk 8,27-30 beginnen (Rudolf Pesch bei Theißen S. 392), dann wären alle drei Leidensweissagungen mit eingeschlossen.

Diese Schrift, die dem Evangelisten Markus als Vorlage diente, ist offenbar sehr früh entstanden, manche Forscher meinen schon vor dem Jahr 37. Das wären also sieben Jahre nach den Ereignissen in Jerusalem (Pesch bei Theißen S.392), also aufregend früh! Die Schrift hat nämlich bei ihren Lesern und Leserinnen Vorkenntnisse über Personen und Ereignisse vorausgesetzt, die eine zeitliche Nähe zum Geschehen zeigen.

So wird der Name des amtierenden Hohepriesters, nicht genannt; er muss also den Leserinnen und Lesern noch bekannt gewesen sein. Sollte es Kaiphas gewesen sein, wie das Matthäusevangelium später ergänzt (Mt 26,3.57) und auch Johannes weiß (Joh 11,49; 18,13-28), wurde dieser im Jahr 37 abgesetzt. Das wiederum wissen wir vom jüdischen Geschichtsschreiber Josephus. Auch bleiben in der Erzählung von der Gefangennahme Jesu im Garten Gethsemane zwei Jesusanhänger seltsam anonym, obwohl sonst alle Personen namentlich genannt werden. Es heißt da: "Einer aber von denen, die dabeistanden, zog sein Schwert und schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm ein Ohr ab." (Mk 14,47). Außerdem lesen wir: "Ein junger Mann aber folgte ihm (d.h. Jesus) nach, der war mit einem Leinengewand bekleidet auf der bloßen Haut; und sie griffen nach ihm. Er aber ließ das Gewand fahren und floh davon." (Mk 51f) Der Neutestamentler Gerd Theißen folgert daraus: "Fall es sich dabei um eine ´Schutzanonymität´ handelt, wäre sie nur zu Lebzeiten der Personen sinnvoll. Die Traditionen der Passionsgeschichte dürften dann schon in der ersten Generation in Jerusalem formuliert worden sein." (Theißen S. 393) - Sie sehen, das Geschäft der Bibelauslegung gleicht manchmal detektivischer Arbeit!

Auf diese sehr alte Schrift, die - wohl in verschiedenen Versionen - unter den ersten Christinnen und Christen umlief, stützten sich das Markus-, aber auch das Johannesevangelium, und zwar ohne dass beide voneinander wussten. Möglicherweise besaß Johannes eine andere Version als Markus, denn er bietet zusätzliches und abweichendes Material. Die Evangelisten Matthäus und Lukas wiederum stützten sich auf das ihnen vorliegende Markusevangelium (Köster S. 482). So viel zum Informationsfluss unter den ersten Christinnen und Christen über das Geschehen der Passion, und so viel auch zur Güte der historischen Quellen: sie ist hoch!

Damit nun können wir uns mit den Berichten der einzelnen Evangelien befassen. Wie wird in ihnen auf Grund der ihnen vorliegenden Informationen das Geschehen der Passion Jesu dargestellt und gedeutet?

Das Markusevangelium: Die Botschaft von der Nachfolge im Kreuz

Bleiben wir zuerst beim Markusevangelium. Mit ihm ist die einzigartige Literaturgattung "Evangelium" überhaupt erst geschaffen worden. Entstanden ist es, wie gesagt, um das Jahr 70, und zwar im Bereich des griechischen, d.h. westlichen Syrien, genauer gesagt wohl im Umkreis der Metropole Antiochien am Orontes (heute Antakya an der türkisch-syrischen Grenze). In der dortigen, früh gegründeten heidenchristlich bestimmten Gemeinde, die auch die Heimatgemeinde des Apostels Paulus gewesen ist, hatte die Verkündigung vom gekreuzigten und auferstandenen Herrn einen zentralen Stellenwert erhalten. Andere - stärker judenchristlich geprägte - Gemeinden hatten dagegen andere Momente des Jesusgeschehens in den Mittelpunkt gestellt, etwa die Sprüche oder die baldige Wiederkunft des Herrn.

Für Markus jedoch hat die Passionsgeschichte, der er die Hälfte seines Buches widmet, die Schlüsselfunktion schlechthin. Sie ist für ihn der "Höhepunkt eines Dramas", das sich " im Wirken und Leiden eines dem irdischen Bereich preisgegebenen menschlichen Lebens vorbereitet". (Köster S. 605)

Der Evangelist stellt dies dar mit Hilfe eines Gedankens, der in seiner Paradoxie gleichsam zum "Markenzeichen" des Markusevangeliums geworden ist, mit dem sog. "Messiasgeheimnis". In den Erzählungen von Jesu Wundern gebietet dieser bei Markus den Geheilten bzw. seinen Jüngern immer wieder, darüber Schweigen zu bewahren. So etwa nach der Heilung eines Aussätzigen: "Sieh zu, dass du niemandem etwas sagst!" (Mk 1,44). Damit wird der Rückschluss von den Wundern auf seine Person unmöglich gemacht: Jesus ist kein Wunderheiler ("Wunderwuzzi"), seine Taten bilden keinen Beweis. Vielmehr - und darauf kommt alles an - ist erst nach Jesu Tod und Auferstehung die wahre Erkenntnis seines Werkes möglich.

Man kann beim Lesen des Markusevangeliums beobachten, wie der Evangelist die Geschichte des Jesus von Nazareth von seiner Taufe bis zur Kreuzigung als Prozess seiner Einsetzung zum "Sohn Gottes", zum Himmelskönig, deutet. Anders gesagt: wie sich die Botschaft vom Sinn des Kreuzes Jesu langsam "aufbaut": "Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen" (Mk 1,11) erklärt die Stimme vom Himmel bei der Taufe Jesu. "Dies ist mein geliebter Sohn, hört auf ihn!" (Mk 9,7) fordert später in der Geschichte von Jesu Verklärung eine Stimme aus der Wolke die Anwesenden auf. "Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn" (Mk 15,39) bekennt schließlich der Centurio nach dem Tod Jesu am Kreuz. Der Ausleger Gert Theißen bemerkt dazu (S.397): "Die Leser sollen sich neben den Hauptmann stellen und sein Bekenntnis, - erweitert um die Überzeugung von der Auferstehung Jesu - nachsprechen." Praktisch heißt das: Wahre Erkenntnis dessen, was damals geschehen ist, ist für uns alle nur in der Kreuzesnachfolge möglich (Vielhauer 343ff).

Als Rätsel bleibt der Ruf Jesu am Kreuz "Mein Gott, mein Gott, wozu hast du mich verlassen?" (Mk 15,34), der den 22. Psalm zitiert (Ps 22,2). Soll er den Gipfelpunkt der während des Passionsgeschehens wachsenden Isolierung Jesu bezeichnen, das letzte furchtbare Verlassensein? Oder ist es ein wunderwirkender Ruf, mit dem Jesus den Sinn seines Leidens von Gott einfordert? (vgl. Theißen 396). Wir können und wollen das hier nicht entscheiden. Die Botschaft des Markusevangeliums vom Kreuz Jesu und der Kreuzesnachfolge ist auch so bedrängend genug.

Das Evangelium des Matthäus: Es ist Gott, der handelt

Rund zwanzig Jahre später sieht ein anderer Autor, wahrscheinlich ebenfalls im syrischen Raum (heute der Bereich um die syrisch-türkische Grenze) oder in Antiochien, die Botschaft vom Leiden und Sterben des Jesus von Nazareth unter anderem Aspekt. Das Evangelium des Matthäus verschiebt die Akzente. Matthäus hat Markus gelesen. Er übernimmt den alten "Überlieferungsblock" der Passionsgeschichte, der aber bestimmt nicht mehr den Gesamtaufbau des Evangeliums. Der Schwerpunkt liegt nicht mehr auf Jesu Tod, sondern auf seiner Lehre und seinem Wirken.

Auch für Matthäus ist das Leben Jesu ein Geschehen innerhalb der menschlichen Welt. Der Ausleger Helmut Köster: "Aber in dem, was Jesus sagt, tut und leidet, ist es doch Gott selbst, der handelt." (S.611) Jesus muss nicht erst, wie bei Markus, zum Sohn Gottes eingesetzt werden, er ist es von vornherein.

Das zeigt Matthäus, der sich als christlicher Schriftgelehrter versteht, seinen aus dem (Diaspora-)Judentum, vor allem aber aus dem Heidentum kommenden christlichen Leserinnen und Lesern, indem er die Offenbarung Gottes in Jesus Christus in einen wahrhaft globalen geschichtlichen Horizont rückt. Man kann sagen, damit wird sein Evangelium "zum Offenbarungsbuch einer Weltreligion" (Köster 611). Schon bei seiner Geburt beten die heidnischen Magier den "König der Juden" an. Der Messias des Gottesvolkes der Juden ist der Heiland der gesamten Welt, für die die Magier stehen.

Das Mittel dazu ist der Beweis aus der hebräischen Bibel, der sog. "Schriftbeweis". Matthäus ist überzeugt: Was mit Jesus geschah, war ein Gottesgeschehen, das längst vorhergesagt worden war. So fügt er hin und wieder Verweise auf seine hebräische Bibel in das überlieferte Material ein oder ergänzt mit Sätzen daraus Worte Jesu. Vor allem aber weist er immer wieder ausdrücklich darauf hin, dass sich in dem, was hier geschieht, göttlich Vorhersage erfüllt. So z.B. nach dem Kauf des "Töpferackers" um die 30 Silberlinge durch die Hohenpriester nach dem Selbstmord des Judas: "Da war erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht (Sach 11,12.13): Sie haben genommen die dreißig Silberlinge, den Preis, zu dem geschätzt war der Verkaufte, welche sie kauften von den Kindern Israel, und haben sie gegeben für den Töpferacker, wie mir der Herr befohlen hat." (Mt 27,9f). Verwendet ist ein "Mischzitat" aus Sacharja und Jeremia. Ebenso stammt etwa das Motiv von der Galle, die Jesus am Kreuz erhält, unausgesprochen aus dem 69. Psalm, einem Leidenspsalm.

Die hoheitlichen Züge, die Matthäus so hervorhebt, zeigen sich besonders deutlich, wo eigentlich die Niedrigkeit des Gottessohnes besonders offenkundig wäre, in der Passion.

Wird im Markusevangelium noch trocken berichtet: "Nach zwei Tagen aber war das Fest des Passa und der ungesäuerten Brote. Und die Hohenpriester und Schriftgelehrten trachteten danach, wie sie ihn mit List festnehmen und töten könnten." (Mk 14,1) so gestaltet Matthäus daraus ein Herrenwort: "Ihr wisst, dass nach zwei Tagen das Passafest ist; und der Menschensohn wird dahingegeben, damit er gekreuzigt werde." (Mt 26,2) Gleich zu Beginn der Passionsgeschichte stellt Matthäus damit klar: Es ist Jesus, bei dem die Initiative liegt. Er ist der "Herr seines Schicksals" (Vielhauer S.361). Er weigert sich bei seiner Kreuzigung souverän, den mit Galle vermischten Wein zu trinken, eine Anspielung auf Ps 69,22, (Mt 27,34), und er reagiert in allem Schrecken des grausamen Todes gleichsam "selbständig" und überlegen auf die Verhöhungen der Umstehenden: "Aber Jesus schrie abermals laut und verschied." (Mt 27, 50).

Mit noch einem anderen Verstehensmodell versucht das Matthäusevangelium die Paradoxie der Niedrigkeit des Gottessohnes zu bewältigen. Auch hier greift es zurück in die jüdische Geschichte. Dort spielte seit alten Zeiten der Gedanke vom leidenden Gerechten eine Rolle, der von den Autoritäten seines eigenen Volkes verfolgt und getötet wird. "Jerusalem" ist hier das Stichwort für den Mord an den Gesandten Gottes, an den Propheten, die die offiziellen Vertreter des Volkes und das von ihnen verführte Volk scharf kritisiert haben. Der Untergang Jerusalems im jüdischen Krieg des Jahres 71 ist für Matthäus die "Quittung" für dieses Verhalten der Oberen. Vor diesem Hintergrund ist auch der berüchtigte Ruf des Volkes bei der Verurteilung Jesu "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!" (Mt 27,25) zu verstehen, der in seiner kirchlichen Wirkungsgeschichte so viel Unheil angerichtet hat. Das Matthäusevangelium polemisiert hier wie an anderen Stellen keineswegs gegen "die Juden". Das war in der Geschichte unseres christlichen Glaubens ein Denkfehler mit furchtbaren Folgen. In Wahrheit greift Matthäus die uralte Kritik von jüdischer, genauer gesagt prophetischer Seite an Entwicklungen im eigenen Volk auf und bezieht sie auf das Schicksal Jesu von Nazareth. Jesus hat das gleiche Schicksal wie viele Gerechte vor ihm erlitten, aber sein Tod hat diesem Verhängnis ein Ende gesetzt. Durch die Auferstehung ist es überwunden.

Lukas: Der Tod des Märtyrers

So wenig man für die Person der Lukas aus seinem Evangelium und der Apostelgeschichte, dem zweiten Teil seines "Doppelwerkes" erschließen kann, so klar ist doch: Er hat als griechischer Christ für Griechen geschrieben, wahrscheinlich für Außenstehende, aber nicht völlig Kenntnislose, und er wollte "der Kirche seiner Zeit ein klares und stabiles Verständnis ihrer selbst" schenken (Vielhauer S.405). Die Zeit, in der das Lukasevangelium entstanden ist, ist schwer zu bestimmen, vielleicht vor, vielleicht nach der ersten Jahrhundertwende. Aber es bietet es eine imposante "heilsgeschichtliche" Perspektive an:

Zurück liegt die Zeit des Gesetztes und der Propheten, die mit dem Täufer Johannes geendet hat. Mit Jesus beginnt die "Mitte der Zeit", in der der Satan keine Macht besitzt. Er verlässt Jesus nach der Versuchung "bis zu einem bestimmten Zeitpunkt" (Lk 4,13), d.h. bis zum Beginn der Passion, als er beim Abendmahl in den Verräter Judas fährt (Lk 22,3). Die Passionsgeschichte selbst, von der Lukas wie Matthäus aus dem Markusevangelium die Informationen bezieht, liegt außerhalb dieser Spanne und gehört bereits zur dritten und noch heute anhaltenden Phase, der "Zeit der Kirche", deren Konsolidierung Lukas dann in der Apostelgeschichte breiter schildert.

Jesus selbst ist auch für Lukas der in der hebräischen Bibel angekündigte Messias, darüber hinaus der Gottessohn, der Geistträger, der drastische Wunder vollbringt wie die Auferweckung des Jünglings zu Nain (Lk 7,11-17). Gleichzeitig wird Jesu Liebe betont zu den Armen, Kranken, Diskriminierten, zu denen ja auch Frauen gehörten. Jesus war ein beispielhaft Frommer, sein Beten wird betont. Kurz, Lukas schildert Jesus als Heiligen. Und in diesem Sinn versteht er auch sein Leiden und Sterben. Die Passion ist bei Lukas kein für die Menschen heilwirkendes Geschehen wie bei Markus, keine Offenbarung der Hoheit Christi wie bei Matthäus, sondern vielmehr ein Martyrium. Man hat das einmal so beschrieben: "Der leidende Heiland ist für Lukas der Mann Gottes, der von bösen Gewalten bekämpft im Dulden und Vergeben ein Vorbild unschuldigen Leidens wird." (Martin Dibelius bei Vielhauer S.376)

Damit verbunden ist auch eine politische Absicht. Lukas will seinen Zeitgenossen zeigen, dass das im Entstehen begriffene Christentum eine politisch ungefährliche, ja friedliche Religion ist, die zu Unrecht verfolgt wird, ebenso wie Jesus zu Unrecht ans Kreuz geschlagen wurde (Köster S.750).

Jesus ist ein Vorbild in seinem Leben und Sterben - darin lag für die kirchlichen Leserinnen und Leser des Lukasevangeliums der seelsorgerliche Wert des schrecklichen, unfassbaren Geschehens in Jerusalem. Damit fügt der Evangelist einen weiteren wertvollen Baustein in das frühe Verständnis der Passion des Jesus von Nazareth ein, einen Aspekt, der in seiner Friedfertigkeit noch heute, gerade heute, seine Kraft entfalten kann.

Der neue Opfergedanke

Gemeinsam mit dem Markusevangelium und dem Matthäusevangelium hat Lukas aber noch einen ganz wichtigen, eigentlich "revolutionären" Aspekt: In ihren Abendmahlsberichten deuten alle drei Evangelisten - man nennt sie die "Synoptiker" - Jesu Sterben als "Opfer". Aber nicht als ein Opfer, das nach uralter Weise Menschen Gott darbringen, sondern das Gott seinen Menschen gebracht hat, ihnen zugute, zu ihrem "Heil". Und das, obwohl die Jünger - siehe Gethesmaneszene - alle versagt hatten. Theißen (S.410) erklärt das so: "Bei diesem neuen Opfer wirkt nicht der Mensch auf Gott ein, damit er von seinem Zorn lasse; vielmehr handelt Gott, damit der Mensch von seinen Feindseligkeiten gegen Gott und seinen Nächsten lässt."

Für den Apostel Paulus übrigens, der auf die Passionsgeschichte selbst nicht eingeht, war dies der eigentliche Schlüssel zum Verständnis dessen, was damals in Jerusalem und auf Golgatha geschehen ist: Heil wird nicht durch Tötung, sondern durch Auferweckung bewirkt, Heil beginnt mit Versöhnung, mit Versöhnung mit Gott und mit den Menschen.

Das Johannesevangelium: Der Sieg über die Welt am Kreuz

Einen ganz anderen Zugang zur Passion Jesu hat das vierte Evangelium, das Evangelium, das aus jenem eigenartigen Bereich des frühen Christentums stammt, den die exegetische Fachwelt die "johanneischen Gemeinden" nennt. Wo sie zu lokalisieren sind, ist höchst umstritten, möglicherweise in Palästina, Syrien oder Kleinasien (heutige Westtürkei). Hier spielt offenbar die damals sich ausbreitende philosophische Weltanschauung der sog. Gnosis eine Rolle. Für dieses Weltbild ist das Wort des irdischen Jesus "nichts als die Stimme eines himmlischen Erlösers, der die Menschen in ein neues, vom Geist bestimmtes Dasein ruft". (Köster S. 619).

Auch das Johannesevangelium kennt die alte Passionsgeschichte, die schon von Markus benutz worden war, aber es kennt sie nicht - wie Matthäus und Lukas - aus dem Markusevangelium. Vielmehr greift der Evangelist direkt auf dieses alte Traditionsstück zu und benutzt es ganz selbstständig in seinem Sinn. Dass er dabei gelegentlich besonders treu an der alten Überlieferung bleibt, zeigt, dass er den Tod Jesu auf den Tag vor dem Passahmahl datiert (Joh 18,28) und Jesu letztes Mahl nicht wie die anderen Evangelisten als Passahmahl interpretiert. Er verzichtet aber auf die Auffindung des Esels in der Einzugsgeschichte, den Verrat des Judas, die Szene mit Jesus in Gethsemane, die beiden Schächer links und rechts vom Kreuz und in der Ostergeschichte auf die Wächter am Grab. Man könnte sagen: Für Johannes sind das Randerscheinungen, die sich nicht mit der Rolle des himmlischen Offenbarers vertragen. Rätselhaft bleibt jedoch, warum er die Einsetzung des eucharistischen Mahls durch die Szene der Fußwaschung ersetzt (Joh 13,4ff)

Auch darin zeigt sich die eigene Sicht des Johannesevangeliums, dass es stark dazu neigt, die Schuld am Tod Jesu "den Juden" zuzuschreiben und den Römer Pilatus zu entlasten: "Von da an trachtete Pilatus, wie er ihn losließe…" (Joh 19,12). Hier wie in anderen Passagen des Evangeliums tritt eine antijüdische Tendenz des - offenbar selbst judenchristlichen - Evangelisten zutage. Der Grund dafür dürfte in frühen Erfahrungen von Verfolgungen durch jüdische Gemeinden zu suchen sein. Daher lesen wir Bemerkungen wie jene in Kap. 9,22: "Denn die Juden hatten sich schon geeinigt: wenn jemand ihn als den Christus bekennt, der sollte in den Bann getan werden.".

Ähnlich wie im Matthäusevangelium geht es jedoch hier nicht um eine Fontstellung Nichtjuden contra Juden oder Christen contra Juden, vielmehr handelt e sich in diesem sehr frühen Stadium der Christentumsgeschichte um ein sozusagen "innerjüdisches" Problem. Es ist die jüdische Obrigkeit, das Synhedrium, die "Lokalaristokratie", die aus der Sicht des jüdischen Christen Johannes für die Vorgänge die Verantwortung zu tragen hat. Mehr noch: "Die Juden" stehen im Johannesevangelium nicht für eine Volks- oder Religionsgruppe, sondern für die gesamte gottferne, die Offenbarung ablehnende Welt.

An dieser Stelle ist ein Blick in die anderen ("synoptischen") Evangelien interessant. Dort spielt auch "das Volk" eine beträchtliche Rolle bei den Geschehnissen, gleichzeitig wird das deutliche Anliegen, die Römer zu entlasten, sichtbar, (was möglicherweise bereits auf die alte Passionsquelle zurückgeht). So wird bei Markus und Matthäus der Umschwung der Volkssympathie auf das Wirken der Lokalaristokratie zurückgeführt: "Und die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn mit List ergreifen und töten könnten. Denn sie sprachen: Ja nicht bei dem Fest, damit es nicht einen Aufruhr im Volk gebe." (Mk 14,1f). In der Verhandlung vor Pilatus "reizen" die Hohenpriester dann das Volk "auf" (Mk 15,11). Matthäus verstärkt dabei den Anteil des Volkes durch die bereits besprochene Selbstverfluchung, während Lukas differenziert: Einerseits verlangt das Volk die Kreuzigung (Lk 23,13ff), andererseits beklagt "eine große Volksmenge", darunter - für Lukas typisch - viele Frauen, die Hinrichtung Jesu (Lk 23,27).

Zurück zu Johannes: Das bei Johannes breit ausgebaute Verhör Jesu vor Pilatus zeigt sehr deutlich, wie dieser Evangelist den Tod Jesu versteht: Hier wird Jesus als Offenbarer der göttlichen Wahrheit ein letztes Mal mit der Welt, dem Heiden Pilatus und der jüdischen Obrigkeit, konfrontiert. Aber er bleibt der Überlegene auch angesichts des Todes: "Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit zeugen soll." (Joh 18,37). Auch das Johannesevangelium kennt den Opfergedanken, wenn es den Täufer Johannes vom "Lamm" sprechen lässt, "das der Welt Sünde trägt" (Joh 1,29). Aber der Tod Jesu am Kreuz ist kein katastrophales Scheitern, sondern eine wahrhaft unglaubliche Erhöhung, die Wiederkehr zum Vater. Sein letztes Wort "Es ist vollbracht" ist eine triumphale Vollzugs- und Siegesmeldung.

Damit ist dem Johannesevangelium "eine radikale und geniale Neuinterpretation der kirchlichen Tradition in den Kategorien der gnostischen Sprache" (Köster S.632) gelungen, die gewiss vielen Zeitgenossen in und außerhalb der frühen Kirche das Tor zum Verständnis der christlichen Botschaft geöffnet hat. Für uns Heutige ist es ein niemals zu erschöpfender Brunnen für Anregungen zu tiefer und heilsamer Meditation über das, was damals geschah, und für wen es geschehen ist.

Kreuz und Nägel

Der Tod Jesu am Kreuz - kein katastrophales Scheitern, sondern ein Sieg. Um die paradoxe Schärfe dieser Botschaft verstehen zu können, müssen wir uns die Bedeutung der Kreuzesstrafe vergegenwärtigen. Wie alle Geißelungs- und Folterszenen ist dieser schreckliche Vorgang in den Evangelien sehr knapp und zurückhaltend dargestellt (anders als in Mel Gibsons unseligem Passionsfilm). Die Kreuzigung, eine Pfählung, stammt vermutlich aus Persien und kam über die Punier zu den Römern. Zur Zeit Jesu ist sie die römische Todesstrafe insbesondere für Sklaven und Aufwiegler. Sie galt als absolut entehrend und durfte - zumindest offiziell - nicht an römischen Bürgern vollstreckt werden. In Palästina war sie das Symbol der verhassten Römerherrschaft. Ob bzw. wo bei der Kreuzigung nicht Stricke sondern Nägel - üblich waren Holzstifte oder Bronzenägel - verwendet wurden, ist unsicher. Allein das Johannesevangelium spricht - nicht von Nägeln, sondern von Nägel"malen", und zwar erst in der Ostergeschichte vom ungläubigen Thomas: "Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege… kann ich´s nicht glauben." (Joh 20,25)

Das Kreuz als Zeichen jedenfalls lebte weiter, allerdings erst längere Zeit nach den Ereignissen auf Golgatha. Denn in der bildlichen Darstellung wird die paradoxe Vorstellung eines gekreuzigten Gottes nur allmählich aufgegriffen. Die erste datierte Darstellung des Kreuzes auf einem christlichen Denkmal findet sich auf einer Inschrift aus der syrischen Wüstenstadt Palmyra vom Jahr 134. Bekannter ist das vermutlich in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts an eine Wand gekritzelte Spottkruzifix mit dem Eselskopf aus der Pagenschule auf dem römischen Palatin: "Alexamenos betet seinen Gott an". Erst später durch verschlungene kunstgeschichtliche Entwicklungen wird das Kreuz in all seinen verschiedenen Formen in der christlichen Kunst das Zeichen für die Leben und Licht bringende Herrschaft des Christus über die Welt. So wie es uns Sabine Krist mit ihrem Altarkreuz vor Augen stellt.

Das Motiv der Nägel, der "heiligen" Nägel, in der christlichen Tradition ist etwas jünger. Im vierten Jahrhundert sollen sie durch die fromme Mutter des Kaisers Konstantin, Helena, aufgefunden worden sein. Sie soll sie als wundertätig in den Pferdezaum und das Standbild ihres Sohnes einarbeiten haben lassen. In der Passionsmystik, die nach den Kreuzzügen aufkam, steigerte sich der Wunsch, heilige Nägel zu besitzen, weiter, bis es insgesamt 34 heilige Nägel gegeben haben soll. Die in Santa Croce in Rom und im Trierer Domschatz gelten als "echt". Nagelformen begegnen häufig in den Rosetten gotischer Kirchenfenster. In der bildenden Kunst stehen Nägel auch heute für die Brutalität und das Leid der Welt, und da das Kreuz Jesu mit ihnen assoziiert wird ("Nagelkreuze"), schwingt auch in diesem Symbol eine tiefe Hoffnung auf Erlösung mit. Auch dafür sind die Nagelbilder von Brigitte Petry ein eindrucksvolles Beispiel.

Die Schuldfrage

"Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen…?" Nach dem Gang durch die Evangelien und dem Blick auf die kirchliche Tradition kann der Historiker die Antwort so zusammenfassen: Religiöse und weltlich-politische Gründe für die Hinrichtung Jesu lassen sich nicht trennen. Zwar war Jesus kein Revolutionär, der die Herrschaft im Lande an sich reißen wollte, aber er verkündigte die in Kürze hereinbrechende Herrschaft Gottes, in der die Ersten die Letzten und die Letzten die Ersten sein würden. Dazu kritisierte er die Thora und den Tempel. Die Macht der Tempelaristokratie und der Römer war damit elementar angegriffen.

Die konkrete Frage "Wer war ´Schuld´ am Tode Jesu?" führt jedoch ins Leere. Der Neutestamentler Gerd Theißen hält fest: "Beantworten lässt sich nur die Frage nach der Verantwortung für seine Hinrichtung. Sie liegt bei den Römern, die auf Initiative der jüdischen Lokalaristokratie handelten." (S.409) Für die Evangelien jedenfalls ist, so der Exeget Günther Bornkamm in seinem Jesusbuch, das Leiden und Sterben Jesu "nicht nur eine Kette abrollender historischer Ereignisse, sondern ein Gefüge göttlicher Ratschlüsse, sinnvoll im Lichte der Weissagungen Gottes trotz und inmitten alles irdischen Widersinns und Unrechts. Das große, geheimnisvolle ´Muss´ Gottes steht über ihr und macht auch die menschlichen Akteure dieses Geschehens, ohne ihnen damit die Verantwortung und Schuld abzunehmen, zu Gottes Werkzeugen." (S.144f)

Verschiedene Bilder

Unser Gang durch die Passionserzählungen der vier Evangelisten gelangt nun an sein am Ende. Viel Wichtiges, das ein eigenes Referat wert wäre, mussten wir aussparen. So den Passah- und Eucharistiegedanken, die für Katholiken wie Evangelische gleichermaßen interessante Rolle des Petrus oder das Rätsel der tragischen Gestalt des Judas. Der eindrucksvolle Schlusssatz des Johannesevangeliums gilt auch hier: "Wenn aber eins nach dem anderen aufgeschrieben werden sollte, so würde, meine ich, die Welt die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären." (Joh 21,25)

Ich hoffe aber, wir haben gesehen: Die Evangelisten zeichnen "in sich zutiefst verschiedene Bilder des Gekreuzigten", die "in und trotz ihrer Verschiedenheit das Geheimnis der Person, der Sendung und des Todes Jesu aussprechen" (Bornkamm S.154) und in denen auch das "für mich" liegt, das ja letztlich das Ziel des Niedergeschrieben ist.

Spricht Markus vom Heil, das allein in der Kreuzesnachfolge liegt, so erkennt Matthäus in alledem das Schicksal des einen Gerechten, dessen Tod und Auferstehung dem alten Verhängnis menschlichen Lebens ein Ende gesetzt hat. Für Lukas dagegen ist das vom Martyrium gekrönte Leben des liebenden Gottessohnes ein Vorbild auch für unser Leben und Sterben, bis schließlich Johannes in Jesu schmählichem Tod am Kreuz den großen Sieg Gottes über die Welt zu sehen vermag, an dem der entschiedene Glaube teilhat. Ihnen allen gemeinsam ist aber die Botschaft: Durch das Opfer des Einen ist Leben möglich geworden, das nicht auf Kosten anderen Lebens lebt (vgl. Theißen S.410).

Die Worte des alten Passionslieds "Ach, meine Sünden haben dich geschlagen; ich, mein Herr Jesu, habe dies verschuldet, was du erduldet." haben in diesem Sinn - und nur in diesem Sinn - ihre Berechtigung. Wir können sie singen nicht als niederschmetternde, heute kaum nachvollziehbare Aussage über die Verworfenheit von uns Menschen, sondern als froh machenden Hinweis darauf, was das gesamte Leben und Sterben des Jesus von Nazareth im Licht des Ostermorgens aussagt: Nämlich dass wir Menschen unserem Schöpfer unermesslich viel wert sind.

Zitierte Literatur:
Günther Bornkamm, Jesus von Nazareth, 7. Aufl., Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1965
Helmut Köster, Einführung in das Neue Testament im Rahmen der Religionsgeschichte und Kulturgeschichte der hellenistischen und römischen Zeit, Berlin-New York 1980
Gerd Theißen, Annette Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch. 3. Aufl. Göttingen 2001
Philipp Vielhauer, Geschichte der urchristlichen Literatur: Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter, Berlin-New-York 1975

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